Frauen in Ländern des Südens sind die, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind – und deren Stimmen am wenigsten gehört werden, meint Ulrike Röhr.
Was haben Geschlechterverhältnisse mit Klima zu tun? Die Antwort auf diese Frage fällt Menschen aus Ländern des Südens vielleicht leichter als Menschen aus Industrieländern. Denn die Wirkungen des Klimawandels sind bekannterweise in den Ländern des Südens am heftigsten und gehen zulasten der monetär ärmsten und derjenigen, die das Überleben ihrer Familien sichern: der Frauen.
Vier Genderdimensionen sind in allen Handlungsbereichen des Klimaschutzes wieder zu finden: die Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen und Entscheidungen, Rollenzuweisung und Verantwortlichkeiten, Zugang zu Ressourcen und kulturelle und rechtliche Regeln.
Frauen und Männer haben nirgendwo auf der Welt die gleichen Möglichkeiten zur Mitwirkung an politischen Prozessen und den gleichen Einfluss auf politische Entscheidungen – das gilt auch für die Klimapolitik. Da zumeist die Frauen benachteiligt sind, bleiben ihre Perspektiven, Bedürfnisse und Prioritäten oftmals unberücksichtigt oder laufen Gefahr, als nicht gleichwertig betrachtet zu werden.
Frauen wird traditionell die Versorgungsarbeit in der Familie übertragen. In vielen Regionen der Welt führen die Auswirkungen des Klimawandels zu einer Erhöhung des Arbeitsaufwandes für die Versorgung – sei es durch eine Verknappung von Wasser, Verringerung der landwirtschaftlichen Produktivität oder zunehmende gesundheitliche Belastungen. Durch die Rollenverteilung und ungleiche Wertschätzung der Leistungen haben Frauen generell einen schlechteren Zugang zu Ressourcen aller Art. Das gilt für die Bereiche Bildung und Information, die eine wesentliche Voraussetzung zur Anpassung an den Klimawandel und zu seiner Vermeidung sind; für den Zugang zu Land, zu Finanzierungen und Krediten. Diese sind eine Voraussetzung zum Beispiel für die Umstellung der Nahrungsmittelproduktion oder Energieversorgung auf Ressourcen sparende Alternativen. Verstärkt werden die beschriebenen Phänomene durch kulturelle und rechtliche Bedingungen. Wenn beispielsweise Frauen kein Recht auf Besitz haben oder das Erbrecht patrilinear (über die männliche Linie; Anm. d.Red.) festgelegt ist, erhalten sie zur Bewirtschaftung nur die für eine industrielle Produktion nicht verwertbaren Böden mit geringer Produktivität. Kulturelle oder religiöse Regeln können die Bewegungsfreiheit von Frauen einschränken und ihr Überleben z.B. im Falle von Naturkatastrophen erschweren.
Diese vier Dimensionen bewirken, dass Frauen und Männer in allen Handlungsfeldern des Klimaschutzes – ob es um die Energieversorgung und den Energieverbrauch geht, die Mobilität, die Land- und Forstwirtschaft, die Wasserversorgung oder den Konsum – unterschiedlich betroffen sind, unterschiedliche Vorstellungen haben, wie zukunftsfähige Lösungen aussehen, aber auch unterschiedliche Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten haben.
Frauen- oder Genderaspekte tauchen bei den bisherigen UN-Abkommen zum Klimaschutz nicht auf. Die „Women and Gender Constituency“ will das ändern. Sie ist ein Zusammenschluss von Frauen-/Gender-Organisationen, die als Beobachterorganisationen im Klimaprozess zugelassen sind. Sie versucht auf allen möglichen Wegen, die VerhandlerInnen aus den Regierungsdelegationen zu überzeugen, sich für Frauen-/Genderaspekte einzusetzen. Dazu werden konkrete Textvorschläge gemacht, innerhalb der Organisationen und Netzwerke abgestimmt und dann bei VertreterInnen von Regierungen verbreitet.
Diese mühsame Lobbyarbeit hat Erfolg: Der erste umfassende Entwurf für ein Klima-Abkommen zu „Langfristigen gemeinsamen Aktionen“ (LCA) bezog an vielen Stellen Gendersensibilität mit ein. Allerdings vor allem in den Passagen, die sich mit der Anpassung an den Klimawandel befassen. Die wichtigen Themen Emissionsminderung, Technologietransfer, Finanzierung blieben ohne Nennung von Gender und Frauen. Da gibt es also weiterhin viel zu tun.
Die UN-Klima-Verhandlungen laufen seit dem August-Treffen in Bonn hinter verschlossenen Türen. Dadurch haben alle Beobachterorganisationen reduzierten Zugang zu Informationen und damit auch weniger Möglichkeiten, direkt zu reagieren. Das Ergebnis zeigt sich in dem neuen Entwurf des Abkommens zu „Langfristigen gemeinsamen Aktionen“: Gender und Frauen tauchen hier nicht mehr als eigenständige Paragrafen oder zumindest Sätze auf, sondern nur noch in Form von Begriffen wie „gendersensitiv“, oder in Aufzählungen wie „Indigene, Jugendliche und Frauen“. Das ist zwar besser als nichts, aber doch nicht das, was Frauenorganisationen und GenderexpertInnen sich erwarten. Abzuwarten bleibt, wie sich die Texte in Cancún entwickeln, ob Gender- und Frauenaspekte noch weiter gestrichen werden oder ob es vielleicht doch gelingt, die Forderungen, die für Genderaspekte in der Klimapolitik am wichtigsten sind, in die „gemeinsame Vision“ einzubringen: die vollständige Einbeziehung von Genderperspektiven für effektive Maßnahmen in allen Bereichen der Klimapolitik; die Einhaltung von Frauenrechtsstandards und guter Praxis in der Klimarahmenkonvention und ihren Protokollen; und die Förderung der führenden Rolle von Frauen und deren Beteiligung als Interessenvertretung in allen klimapolitischen Prozessen und deren Umsetzung.
Ulrike Röhr ist Leiterin von genanet (Leitstelle Gender, Umwelt, Nachhaltigkeit) und Mitbegründerin/Vorstandsmitglied bei GenderCC – Women for Climate Justice. Sie arbeitet zu Genderaspekten in Energie- und Klimapolitik und ist seit vielen Jahren bei den internationalen Klimaverhandlungen aktiv.
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